Persönliche Verantwortung

 

 

Gedanken zum Thema persönliche Verantwortung

Der Auslöser, immer wieder in Gedanken dieses Thema zu wälzen, war ein Vortrag von Prof. Paul Argenti „Führung und persönliche Verantwortung“ bei einer Firmentagung in Holland. Nach der Vorführung der Szene mit dem Heißluftballon aus der Verfilmung des Romanes von Ian Mc Ewan „Enduring Love“ befand ich mich in einer total ambivalenten Gefühlslage. Das Ratio rief „… das war doch nur eine Filmszene“, die Gefühle spielten Achterbahn. Eins stand aber im Raum: Die Frage nach der Verantwortung. Wer? Alle? Schicksal? Zufall? „unverantwortliches“ Handeln? Einer Person? Aller Beteiligten? usw. Wo ist die Grenze der persönlichen Verantwortung? Vor allem aber: Kann man eine solche (extreme) Situation mit dem Geschäftsleben (bzw. den -problemen) vergleichen? Gibt es Parallelen zu unseren Berufsdilemmas ?

Die Story:

Eine Gruppe zufällig zusammenkommender Personen versucht einen außer Kontrolle geratenen Heißluftballon, in dem ein Kind sitzt, zu bändigen. Der Ballon startet durch, die Personen, die an den Leinen hängen, lassen los – einer nach dem anderen fällt zu Boden. Bis auf einen, der hält sich- noch- fest. Alle am Boden gelandeten haben ihr eigenes Leben gerettet. Bis auf einen …

Fragen nach den Grenzen unserer persönlichen Verantwortung. Ist diese Grenze allein durch die Situation definiert? (Beim Misserfolg – entschuldigt?) Ja, es war ein äußerst zufälliges, nicht vorhersehbares Ereignis. Es war keine Vorplanung möglich. Alle involvierten Personen waren sich völlig fremd und vom Zufall zusammengewürfelt.

„Ich sollte etwas klarstellen. Es mag einen gemeinsamen Zweck gegeben haben, aber wir waren niemals ein Team. Es gab keine Gelegenheit und auch keine Zeit dazu. Zufällig zu diesem Zeitpunkt und diesem Ort zu sein und die Bereitschaft zu helfen, dies hatte uns unter dem Ballon zusammengebracht“. – McEwan

Ist die in die Frage gestellte Grenze der persönlichen Verantwortung durch den Transfer an die Gruppen- Team- Allgemeinheit- Verantwortung beantwortet? Uns ist es sicher bewusst, dass das gefährliche „Sich- entziehen“ der Verantwortung mit der Verlagerung an die „anderen“ eindeutig ein Verstoß gegen unsere Ethik darstellt. Bei der tragischen Heißluftballon-Szene war jedoch die elementare Existenzfrage der Selbsterhaltung die entscheidende, stärker als die der individuellen oder kollektiven Verantwortung.

„… dass wir uns nach den Ereignissen so schlecht gefühlt haben, ist ein Beweis dafür, dass uns unser Versagen bewusst war. Es lag aber in unserer Natur, loszulassen. Egoismus ist ebenfalls Teil unseres Wesens. Dies ist unser Konflikt als Säugetier: Was sollen wir den anderen geben, und was sollen wir behalten. Uns auf dieser Linie zu bewegen, die anderen unter Kontrolle zu halten und von diesen wiederum unter Kontrolle gehalten zu werden, das ist das, was wir Moral nennen. Ein paar Fuß über dem Abgrund hängend sah sich unsere Crew dem alten, unlösbaren Dilemma der Moral gegenüber: wir oder ich.

 Jemand sagte „ ich“ und dann war auch nichts mehr zu gewinnen, indem man „wir“ sagte“. – McEwan

Die Bereitschaft zu helfen war da, fast selbstlos waren alle nach eigenen Kräften bemüht, zu helfen. Mit einem tragischen Ausgang.

„Wir sahen ihn fallen. Du konntest die Beschleunigung sehen. Kein Pardon, keine besondere Behandlung von Fleisch, oder Mut, oder Güte. Nur gnadenlose Schwerkraft“

Klar steht, dass in der geschilderten Situation es an Führung gemangelt hat, um ein gemeinsames Handeln zu steuern und Konsens zu erreichen. Wenn es eine solche Führung gäbe, würde dann die Verantwortung bei der Führungsperson liegen. Also doch eine persönliche Verantwortung, der sich jede Führungskraft stellen muss. Teams sind etwas Wunderbares, solange man sie nicht über

Toll –Ein- Anderer- Macht’s“ definiert. Ein Team (jedes Team) bedarf trotz aller Demokratie einer Führung. Führungskräfte, die loslassen können und Freiraum gewähren. Freiraum bedeutet einerseits die unternehmerische Freiheit, einen Fehler zu machen, aus dem man lernen kann, gleichzeitig aber auch die Bereitschaft, persönliche Verantwortung zu tragen. Es besteht eine klare Verbindung zwischen den individuellen Handlungen, der persönlichen Verantwortung aller Mitarbeiter und dem Wertesystem/Unternehmenskultur/Ruf des gesamten Unternehmens. Wenn wir von den Führungskräften in der freien Wirtschaft das Gefühl für Verantwortung und Rechenschaftspflicht für ihre Handlungen verlangen- gilt das auch für die Beamten? Und-noch schlimmer- für die Politiker? OK, ich höre auf.

Macht bedeutet persönliche Verantwortung. Je mehr man davon besitzt, umso höher ist der Verantwortungsgrad. Steigend – nicht linear, sondern potenziell.

„Wer nach den Sternen greift, darf sich nicht wundern, wenn sie heiß sind“